Lateinamerika Rezensionen

Nona Fernández – Die Straße zum 10. Juli

“Niemand verstand, dass ich müde war, dass ich nur aufhören wollte. Ich brauchte keinen Urlaub. Ich musste einfach nur rechtzeitig die Notbremse ziehen und keinen Schritt mehr in diese Richtung tun.”

Ein durchaus spannendes Setting könnte der Roman der Chilenin Nona Fernández haben. Die Rahmenhandlung spielt im heutigen Chile und wird von Greta erzählt, die nach dem Tod ihrer damals sechs Jahre alten Tochter bei einem Schulbusunfall, begonnen hat, sich einen Bus aus Autowrackteilen zusammenzubauen. Außerdem ist sie auf der Suche nach Juan, der vor zwanzig Jahren so wie sie an linken Schülerprotesten – noch während der Pinochet-Diktatur – teilgenommen hatte und nun spurlos verschwunden ist. Greta findet heraus, dass er an Recherchen über die Colonia Dignidad gearbeitet hatte. Könnte das ein Grund für sein Verschwinden sein – oder hat er sich etwas angetan?

“Denn alles, woraus der Wagen besteht, ist verstellt, verbogen, und das verleiht ihm, zumindest in meinen Augen, einen gewissen Reiz. Nichts wurde nach Maß gefertigt. Der Arme ist eine Art Frankenstein, eine Missgeburt…”

Soweit, so unklar. Der Plot des Romans verwirrt durch den ständigen Wechsel der Zeitebenen und Handlungsstränge sehr. Auch scheint mir das Buch etwas überambitioniert, was die Thematik angeht. Fernández schneidet Themen wie die Militärdiktatur, die Colonia Dignidad bis hin zur heutigen Gentrifizierung an. Das Problem ist – sie schneidet sie eben nur an. Fernández ist sicherlich eine gute Erzählerin und zählt nicht umsonst zu den herausragenden Schriftstellerinnen ihres Landes, doch Die Straße zum 10. Juli hat mich leider so gar nicht erreichen und überzeugen können. Umso gespannter bin ich jedoch auf ihre Erzählungen.

Nona Fernández
Die Straße zum 10. Juli
Aus dem chilenischen Spanisch von Anna Gentz
312 Seiten
Septime Verlag
EUR 22,90

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