Interview

Auf ein Wort mit Peter Grandl

Peter Grandl

Peter Grandl: Turmschatten

Mit seinem Thriller “Turmschatten” hat Peter Grandl ein spannendes literarisches Debüt geschrieben, für das er kürzlich ausgezeichnet wurde. Ein Mann hält in dem Buch drei Neonazis im Keller eines Turms gefangen und überträgt das Ganze live im Internet. Er fordert seine Zuschauer dazu auf, das Urteil per Voting zu bestimmen: Freilassung oder Hinrichtung? Ich habe mit Grandl über seinen Roman gesprochen.

Anfang des Jahres ist Ihr Thriller „Turmschatten“ erschienen. In dem Buch geht es – grob skizziert – um eine Geiselnahme durch einen älteren jüdischen Ex-Mossad-Agenten. Dieser lässt per Liveübertragung das Publikum darüber abstimmen, ob die Geiseln – drei Neonazis, die an der Tötung seiner Haushälterin beteiligt waren – den Tod als Strafe verdient haben. Gab es einen Anlass, der Sie auf die Story gebracht hat?

Der zunehmende Rechtspopulismus in Europa hat mir Sorge bereitet, daher wollte ich einen Beitrag dazu leisten, um dem entgegenzuwirken – zumindest soweit es meine Möglichkeiten zulassen. TURMSCHATTEN ist nur rein äußerlich ein Thriller, unter der spannenden Hülle verbirgt sich aber eine Reportage über die Entwicklung der rechtsradikalen Szene von 1945 bis 2010.

Der Protagonist des Romans heißt Ephraim Zamir. Dabei fällt einem der ehemalige Mossad-Chef Tzwi Zamir ein, der unter anderem die israelische Offensive gegen die Geiselnehmer 1972 in München leitete. Ist das Zufall oder stand der „echte“ Zamir Pate für Ihre Hauptfigur?

Vollkommen korrekt. Zamir ist Bestandteil meiner Hauptfigur, wobei sich mein Zamir aber aus mehreren bekannten Mossad-Agenten zusammensetzt. Das gilt übrigens für alle Charaktere im Buch. Soweit es mir möglich war, habe ich mich an real existierende Figuren und deren Lebensgeschichten gehalten, diese aber oft zusammengefügt aus mehreren Personen. Teilweise findet man im Buch auf Grund der Geschehnisse oder der Namen Hinweise auf die realen Vorbilder.

Sie berichteten, dass es anfangs schwierig war, einen Verlag für Ihr Buch zu finden. Worin könnte das gelegen haben. Ist das Thema zu heikel?

Der Cheflektor eines großes Verlagshauses hat es damals wie folgt auf den Punkt gebracht „Die Mischung aus sozialpolitischem Thema und Kriminalroman funktioniert in Deutschland nicht.“ Das Problem war in fast allen Fällen nicht die Geschichte oder die Qualität des Romans, sondern von Anfang an der wirtschaftliche Aspekt. Da kamen auch Rückmeldungen wie „einen Roman über Neonazis liest keiner, schon gar keine Frauen“. Unabhängig davon, dass Lektoren mit dieser Einstellung Neuvorstellungen gegenüber immer in ihrer Komfortzone bleiben, schließlich ist es wirtschaftlich am sichersten, man hängt sich an einen bestehenden Trend, hatten sie in diesem Fall auch noch unrecht. Turmschatten hat aktuell deutlich mehr weibliche als männliche Leser. Bei den Online-Rezensionen ist der Unterschied noch eklatanter. Von 100 Besprechungen sind 95 von Frauen und das auch noch überwiegend sehr positiv.

Peter Grandl
“Turmschatten” wurde mit dem Krimi-Preis Mordsharz ausgezeichnet (Foto: Florian Fischer)

Und jetzt soll die Story, sofern alles gut geht, in zwei Jahren als Fernsehserie herauskommen. Wie ist das zustande gekommen?

Turmschatten erschien mitten im Lockdown im März 2020. Die Buchhändler hatten geschlossen, und Online-Händler wie amazon lieferten nur noch Ware aus, die „systemrelevant“ war – dazu gehörten aber keine Romane. Wir haben einige Buchbloggerinnen angeschrieben, ob sie Lust hätten, Turmschatten zu lesen und zu rezensieren. Schon die ersten Veröffentlichungen waren sehr positiv. Das Ganze ist dann wie ein Schneeballsystem. Immer mehr Bookstagrammer, Podcatser und Blogger interessierten sich für den Stoff, und so entstanden innerhalb der ersten drei Monate knapp 100 Besprechungen im Netz. Ganz offensichtlich hat das auch einige Filmproduzenten aufmerksam gemacht, die wohl während des Lockdowns auch mehr Zeit zum Lesen hatten. Und so führte eine Agentur schließlich mit fünf verschiedenen Produktionen Verhandlungen über die Verfilmungsrechte, noch lange bevor das Buch überhaupt richtig in den Läden war.

Wer wäre Ihre Wunschbesetzung für die Rolle des Ephraim Zamir?

Für Ephraim Zamir hatte ich von Anfang an Heiner Lauterbach im Kopf, weil er ein hervorragender Schauspieler ist, aber vor allem von der Physis diesen durchtrainierten, aber in die Jahre gekommen Mossad-Agenten perfekt verkörpern könnte. In der weiblichen Hauptrolle eine Bewährungshelferin, die das Drama verhindern hätte können und nun alles versucht, um ihren Fehler wieder gutzumachen, würde ich mir Liv Lisa Fries wünschen.

Die Themen Antisemitismus und Rechtsextremismus sind leider wieder sehr aktuell. Kann Literatur oder Fiktion generell dabei helfen, gegen den Hass anzukämpfen?

Nur, wenn diese Literatur für eine Zielgruppe geschrieben ist, die man zum Umdenken bewegen möchte, oder die gerade an der Schwelle steht, sich entscheiden zu müssen. Mit hoch literarischen Werken wird man wohl nur Eulen nach Athen bringen.

Wie geht es bei Ihnen jetzt weiter? Turmschatten ist Ihr literarisches Debüt. Können wir mit weiteren Büchern rechnen?

Ich schreibe soeben an der Fortsetzung zu Turmschatten. Die Fortsetzung spielt 2020 und behandelt u.a. den Aufstieg der AFD, aber auch die Gefahr vor einer weiteren Radikalisierung der linken Szene. Auch in Teil 2 geht es um ein moralisches Dilemma, das den Leser in eine fatale Situation bringen wird.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

 

 

TurmschattenPeter Grandl
Turmschatten
Thriller
Verlag Das Neue Berlin
592 Seiten
25,– EUR

 

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