Internationales Poesiefestival Medellín (Foto: Wikimedia Commons)
Internationales Poesiefestival Medellín
Seit unglaublichen fünf Jahrzehnten ist Kolumbiens Alltag vor allem durch eines geprägt: La Violencia, die Gewalt. Wer an Kolumbien denkt, denkt an Guerilla, Drogenhandel, Paramilitärs und Autobomben. 1991 rief Fernando Rendón, Herausgeber der Lyrikzeitschrift “PROMETEO“, das Internationale Poesiefestival ins Leben und stellte sich damit gegen die Gewalt und die allgegenwärtige Angst in Medellín. Dieses Jahr konnte das Festival sein 25-jähriges Bestehen feiern.
Nora Gomringer, die 2012 beim Internationalen Poesiefestival in Medellín teilnahm, nannte es in ihrem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung magische Realität: “Revolution, poetische Kraft und die Gewissheit einer internationalen Verbundenheit erschaffen eine Magie, die nun einen Ort und eine Zeit, folglich eine Realität kennt: Medellín, Stadt des immerwährenden Frühlings, während des Internationalen Poesiefestivals.” Und dieses Festival hat tatsächlich etwas Magisches an sich. Inmitten einer Zeit, die von nichts mehr geprägt ist als vom Terror, wird in Medellín 1991 das erste Poesiefestival ausgerichtet. Zunächst waren nur wenige kolumbianische Dichter vertreten. Mittlerweile kommen die Vortragenden aus aller Welt. “Ich glaube, dass das Festival durch die weltweite Anerkennung mittlerweile zu einem Symbol geworden ist. Und auch die vielen internationalen Dichter genießen großen Respekt und Bewunderung, die Poesie wird respektiert. Das ist wie ein Schutzwall, der das Festival umgibt und die Paramilitärs fern hält”, sagte Fernando Rendón, der Gründer des Festivals, einmal in einem Interview mit dem Deutschlandradio. 2006 erhielt das Festival den alternativen Nobelpreis.
Vom 18. bis 25. Juni fand bereits die 26. Ausgabe des Poesiefestivals statt. Heute steht Kolumbien erstmals vor der Chance, anhaltenden Frieden zu gewinnen. Farc-Delegierte und Vertreter des Staates verhandeln seit fast vier Jahren im kubanischen Havana, auf neutralem Gebiet. In dem ein halbes Jahrhundert andauernden Konflikt ließen über 200.000 Menschen ihr Leben und fast sieben Millionen wurden zu Flüchtlingen. Kolumbianische Schriftsteller wie Gabriel García Márquez oder kürzlich Héctor Abad thematisierten den Bürgerkrieg in ihrer Heimat.
So ist es nicht verwunderlich, dass das Poesiefestival nicht mit einem Lyrikfestival in Europa oder woanders in der Welt verglichen werden kann, dass es dort viel mehr bedeutet und die Menschen bewegt. Hans Magnus Enzensberger, einst selbst Teilnehmer in Medellín, schrieb vielsagend: “Vielleicht muss man bis ans andere Ende der Welt reisen, um der Abgebrühtheit unseres Kulturbetriebs zu entrinnen, um sich zu überzeugen, dass ein paar Verse auch heute noch, wie zu homerischer Zeit, eine ganze Stadt begeistern können.”