Interview

Auf ein Wort mit Mathias Zeiske

Die Leipziger Zeitschrift Edit gehört seit über 20 Jahren zur deutschen Literaturlandschaft. Edit wurde 2002 mit dem CALWER HERMANN-HESSE-PREIS ausgezeichnet und schreibt seit 2012 einen eigenen ESSAYPREIS aus. Mit dem geschäftsführenden Redakteur Mathias Zeiske habe ich mich ein wenig über Printmedien, das Magazin und Literatur unterhalten.

 

Mathias Zeiske
Mathias Zeiske

Edit erscheint bereits seit 1993. Auch wenn Du persönlich nicht dabei warst, was waren die Beweggründe für die Herausgabe einer neuen Literaturzeitschrift? Was hat der Literaturszene damals gefehlt?

Die Lücke, die die Entstehung von Edit ermöglichte, tat sich mit der Wende auf – als Institutionen des DDR-Kulturlebens verschwanden oder unglaubwürdig wurden. Um publizieren zu können, brauchte es nicht länger die Billigung der Kulturbehörden. So konnte sich die Szene erstmals ihre eigenen Organe schaffen. Die Zeitschrift ging aus einer Lesereihe im links-alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz hervor. Nach ersten Versuchen, Texte im öffentlichen Raum zu zeigen (Postkarten, Plakate etc.), erschien Edit #1 im November 1993 als einfaches, schwarz-weiß gedrucktes Heft. Darin sind unter anderem Texte von Jan-Peter Bremer und Albert Ostermaier abgedruckt, sowie eine Rezension von Marlen Haushofers Die Wand.

 

Wie bist Du zur Edit gekommen?

Ich bin tatsächlich als Praktikant zu Edit gekommen, damals noch als Student, und bin geblieben, als meine Vorgänger die Zeitschrift verließen, um sich eigenen Projekten zu widmen.

 

Seit Jahren wird ja immer wieder der Untergang der Printmedien beschworen. Mit welchen Schwierigkeiten hat Edit in dieser Hinsicht zu kämpfen?

Ich glaube, die Untergangsszenarien beziehen sich eher auf die wirklich großen Printmedien. Ein paar Stockwerke darunter – wo die Indiemagazine wohnen – lässt sich ein paradox-gegenläufige Entwicklung beobachten: die Renaissance von „little magazines“ und liebenswerten Kulturmagazinen wie Flaneur, BLOCK, Das Wetter oder Das Buch als Magazin. Und Traditionsblätter wie Merkur oder Akzente erfinden sich auf schlaue Weise neu. Durch das Internet und unser Verlorensein darin, ist das Bewusstsein und die Wertschätzung für die Materialität von Dingen immens gestiegen. Bedrucktes Papier ist nämlich in vielerlei Hinsicht eine unschlagbare Technologie für ernsthafte Lektüre. Dazu gehört, dass in den größeren Städten neue Läden entstehen, die sich auf hochwertige Printprodukte und Magazine spezialisiert haben. Von diesem neuerlichen Aufschwung profitieren wir eher.

 

Wie ist die Edit-Redaktion organisiert? Habt Ihr ein festes Team oder wechselnde Redakteure, Grafiker etc.?

Edit wird von einem vierköpfigen Team hergestellt: Jörn Dege und ich sind für die Texte und alles Organisatorische zuständig. Pia Christmann und David Voss kümmern sich um die grafische Gestalt und die Bildauswahl. Man könnte auch von einer „Redaktion Text“ und einer „Redaktion Schrift & Bild“ sprechen. Wir sind nicht fest angestellt, sondern arbeiten frei und oft auch ehrenamtlich für die Zeitschrift. Immer mal wieder tritt jemand aus unserem Umfeld näher, um einzelne Texte einer Ausgabe zu betreuen oder beim Versenden der Hefte zu helfen.

edit

Welche Programmschwerpunkte setzt Edit?

Die Aufgabe von Literaturzeitschriften besteht darin, die Vielfalt literarischer Formen abzubilden. Das ist ihr eigentliches Thema. Daher: Je größer die Bandbreite, desto besser. Daneben pflegen wir unsere ganz persönliche Obsession mit Texthybriden, die man im englischsprachigen Raum vielleicht als narrative nonfiction bezeichnen würde: literarische Essays und Reportagen, Tagebuch etc.

 

Nach welchen Kriterien wählt Ihr Beiträge aus? Ist es schwierig, an gute Inhalte zu kommen?

Wir planen nicht lange im Voraus. Meist entsteht ein Heft erst in den vier bis sechs Wochen, die vor seiner Veröffentlichung liegen. Ausgehend von ein bis zwei Texten suchen wir dann nach weiteren Beiträgen für eine sinnvolle Konstellation, die auch etwas über den Entstehungszeitraum verrät oder die gegenwärtige Stimmung aufgreift. Ganz allgemein suchen wir in allen Texten nach einer Übereinstimmung von Sprache und Weltwahrnehmung, nach Eigensinn und intellektuellem Hintergrund. Und Humor steht ganz hoch im Kurs. Zur Schwierigkeit, gute Texte zu finden: Wir stehen in einem kontinuierlichen Strom von Einsendungen, hinzu kommen wertvolle Hinweise von Kollegen und Freunden, ohne die es nicht ginge. Es ist für Redakteure und Lektoren zudem ratsam, die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten glücklicher Zufälle zu erhöhen, indem man sich immer – wirklich immer – aufmerksam umschaut. Es kam schon vor, dass wir die Idee für einen Text auf einer Facebook-Timeline gefunden haben.

 

Und noch eine persönliche Frage. Was war Dein Literaturhighlight 2015 und worauf freust Du Dich in 2016?

2016: Risiko und Idiotie von Monika Rinck, Georg-Büchner-Preis für Rainald Goetz, To pimp a butterfly von Kendrick Lamar, Die lächerliche Finsternis von Wolfram Lotz, Juan Guses erster Roman Lärm und Wälder, Heike Geißlers nächtliche Antrittsrede als neue sächsische Ministerpräsidentin im August 2015 (zu sehen auf Vimeo).
2016: Sascha Machts Roman Der Krieg im Garten des Königs der Toten erscheint in diesen Tagen – ein frühes Highlight dieses Jahres.

 

Die aktuelle Ausgabe:

 

Winter 2015, 128 Seiten, 5 €

Inhalt:

Sascha Macht: Nach den Spionen
Linn Hansén: In die Geschichte eingehen. Gedichte
— aus dem Schwedischen von Gustav Sjöberg
Marie Gamillscheg: Wenn sie kommen
Levin Westermann: über nacht. Gedichte
Assaf Alassaf: Flüchtling von Amts wegen
— aus dem Arabischen von Sandra Hetzl
Andrew O’Hagan: Die zwei Leben Ronald Pinns
— aus dem Englischen von Simone Schröder
Thorsten Krämer: Das andere Schreiben
Jan Brandt: Aus dem Berliner Journal 2014
Bilder von Corinne von Lebusa, Anna Gille
und Alexander Gehring
ISBN 978-3-95905-068-5

 

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