Sachbuch

Antifaschistische Aktion – Geschichte einer linksradikalen Bewegung

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Eigentlich geht es uns doch ganz gut. In vielen Teilen Deutschlands haben wir nahezu Vollbeschäftigung, wir leben in Frieden und genießen ein relativ großes Maß an Freiheiten. Kein Grund also, sich von “denen da oben” abgehängt zu fühlen, Wut gegenüber Politik und allem Fremden zu entwickeln und seinem Unmut auf der Straße Gehör zu verschaffen, oder?

Warum haben dann rechte Parteien und Initiativen so großen Zulauf, warum wird so viel gehetzt oder gar gejagt? Viele fühlen sich heute an die Zeit der Weimarer Republik erinnert. Dementsprechend haben sie Angst vor dem, was in Zukunft noch kommen könnte, denn wohin der Zusammenbruch der Demokratie in Deutschland einmal geführt hat, wissen wir wohl alle. Umso unverständlicher ist es, dass heute 73 Jahre nach Kriegsende wieder Parteien Glauben geschenkt wird, die offen Hass predigen und versuchen völkisches Gedankengut wieder salonfähig zu machen.

100 Jahre Demokratie in Deutschland

Gehen wir doch einmal einige Jahre zurück und schauen uns an, wie es dazu kam, dass aus der autoritären, militaristischen deutschen Monarchie ein demokratischer Staat wurde. Wir schreiben das Jahr 1918. Der Erste Weltkrieg hat Unzählige Tote gefordert und eine Masse Schwerstverletzter produziert. Der Krieg ist verloren, die Bevölkerung leidet. Und doch wird der Befehl zu einer Seeschlacht gegen England gegeben, die unweigerlich in einer Katastrophe enden muss. Aber die Matrosen machen nicht mehr, es kommt zum Aufstand in Kiel, Wilhelmshaven und bald durchzieht die Novemberrevolution ganz Deutschland. Am 9. November ruft der Sozialdemokrat Scheidemann die deutsche Republik, kurz darauf der Kommunist Liebknecht die sozialistische Republik aus. Die einen wollen ein parlamentarisches System, die anderen eine Räterepublik. In jedem Fall hat die Monarchie ausgedient, der Kaiser dankt ab, Friedrich Ebert wird erster Reichskanzler Deutschlands. Es folgen die Einführung des 8-Stunden-Tags und des Frauenwahlrechts, der Grundstein für die heutige Mitbestimmung in den Betrieben wird gelegt.

Wer hat uns verraten…?

Was aber auch folgt, ist ein erbitterter Kampf zwischen Sozialdemokratie und Kommunisten. 1919 gehen letztere während des sogenannten Spartakusaufstandes auf die Barrikaden. Die Anführer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg werden von rechtsgerichteten Freikorps ermordet. Freikorps, deren Hilfe die SPD annahm, um die gerade erst erworbene Macht zu behalten. In den nachfolgenden Jahren bleiben die neu gegründete KPD und die SPD Gegner, wovon eine dritte Partei, die NSDAP, später durchaus profitieren wird. Sehr gut geschildert ist diese Entwicklung in Bernd Langers Buch Antifaschistische Aktion – Geschichte einer linksradikalen Bewegung. Wie kam es beispielsweise dazu, dass 1925 der rechte Generalfeldmarschall a.D. von Hindenburg zum Präsidenten gewählt wurde?

“Rechtsradikale und Konservative bildeten den Reichsblock und stellen Generalfeldmarschall a.d. Paul von Hindenburg auf, während sich die republikanischen Parteien DDP / Zentrum / SPD mit dem Volksblock auf Wilhelm Marx (Zentrum) einigten. Die KPD nominierte, wie bereits beim ersten Wahlgang, Ernst Thälmann, der keine Aussicht auf die Präsidentschaft hatte. Sehr knapp, mit gerade einmal drei Prozentpunkten Vorsprung, konnte Paul von Hindenburg (48,3 % der Stimmen) Wilhelm Marx schlagen. Thälmann erreichte lediglich 6,4 %, also genau die Prozentpunkte, die Marx zum Sieg fehlten.”

Natürlich gab es – wie erwähnt – einen Grund für die Gegnerschaft zwischen KPD und SPD, dennoch ermöglichte genau diese Spaltung in der Linken bzw. bei den progressiven Kräften in Deutschland das Erstarken nationalkonservativer und rechtsradikaler Kräfte. Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 begann der Aufstieg der NSDAP zur Massenbewegung.

Und heute?

Schaut man sich die heutige Parteienlandschaft an, stellt man fest, dass auch heute keine Einigkeit in der Linken besteht. Während Koalitionen der SPD mit CDU/CSU oder FDP ohne Probleme möglich sind, scheinen sie unmöglich mit der LINKEN. Dabei müsste doch gerade dem Rechtsruck in der Gesellschaft, der in ganz Europa spürbar ist, eine starke linke Gegenposition entgegenstellt werden. Mit “Aufstehen” macht sich eine sogenannte Sammlungsbewegung auf, die enttäuschten Wähler aufzufangen, aber ich frage mich, ob sie nicht den Weg einer weiteren Spaltung einschlägt, etwa indem dort über eine mögliche Wählbarkeit der Bewegung diskutiert wird. Sollten sich SPD, Linke und Grüne nicht auf die Gemeinsamkeiten besinnen und mit einer Stimme sprechen gegen soziale Spaltung, gegen Rechtsruck und gegen die Zerstörung der Umwelt?

Stattdessen wird zugelassen, dass Verschwörungstheorien immer mehr Anhänger finden, dass Antifa mit Extremismus gleichgesetzt wird, dass die AFD neben dem Bundestag in einen Landtag nach dem anderen einzieht. Eine Partei ohne wirkliches Programm, ohne Lösungen, die mit populistischer Propaganda auf Stimmenfang geht.

Antifa – wer oder was ist das überhaupt?

Wer mehr über die Entstehung und die Entwicklung dessen, was heute unter den Begriff Antifa subsummiert wird, erfahren möchte, dem sei Bernd Langers Buch ans Herz gelegt. Langer ist wirklich Experte auf dem Gebiet, schließlich engagiert er sich bereits seit 1978 in antifaschistischen Initiativen und Organisationen. Erst vor Kurzem ist im Münsteraner Unrast Verlag die aktualisierte dritte Ausgabe dieses Grundlagenwerks erschienen.

Bernd Langer
Antifaschistische Aktion
Geschichte einer linksradikalen Bewegung / 3. akt. und erw. Auflage
Erscheinungsdatum: Oktober 2018
363 S., Unrast Verlag

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