Wie von nahezu jedem Jahr wird man auch von 2017 sagen, dass es ein bewegtes Jahr gewesen ist. Dabei geschehen ständig Dinge, die bewegen. Mal mit einem großen Knall und zum Entsetzen der Weltöffentlichkeit, dann wieder im Kleinen, in einem für vielleicht nur einen Menschen intensiven Moment, der von anderen kaum wahrnehmbar ist. Für mich gab es beides – sowohl die kurzen Momente als auch die großen Ereignisse, die mich bewegten. 2017 war das Jahr, in dem Heinrich Böll 100 Jahre alt geworden wäre, in dem Menschen wie Ricardo Piglia, Peter Härtling, Zygmunt Bauman, Jerry Lewis, Chester Bennington, Liu Xiaobo oder Al Jarreau gestorben sind. Aber das hier soll kein Nekrolog werden.
Für mich war 2017 in jedem Fall ein sehr interessantes Jahr. Im Frühjahr erschien das Buch “Warum ich lese” unter meiner Herausgeberschaft im homunculus verlag. 39 Buchblogger und ich schrieben hier ihre Liebeserklärungen an die Literatur nieder, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die erste Auflage ist bereits vergriffen, die zweite schon gedruckt. Dafür danke ich an dieser Stelle noch einmal allen 39 Kollegen und den vier Verlegern aus Erlangen.
Ebenfalls erfreute es mein Bloggerherz, dass ich als Buchpreisblogger in diesem Jahr zusammen mit Mareike Fallwickl (Bücherwurmloch), Isabella Caldart (Novellieren), Sarah Reul (Pinkfisch), Ilke Sayan (Buchgeschichten) und Frank O. Rudkoffsky den Deutschen Buchpreis begleiten durfte. Auch die Buchmesse in Frankfurt war für mich trotz rechter “Tiefschläge” ein Highlight, da ich in diesem Jahr endlich viele meiner Buchbloggerkollegen persönlich treffen konnte.
Und natürlich gab es auch 2017 einige Bücher, die mir besonders gut gefallen haben. Acht davon stelle ich Euch hier noch einmal kurz vor.
Christine Wunnicke – Katie
Christine Wunnicke versteht es glänzend, mit historischen, hier insbesondere naturwissenschaftlichen Themen zu spielen und diese auf eine kluge und humorvolle Weise in anspruchsvolle, fesselnde Literatur zu verwandeln. Sie verwebt dabei gekonnt Fakten mit Fantasie, ebenso wie in der geschilderten Zeit auch die Grenzen zwischen Wissenschaften und Pseudowissenschaften, zwischen Erklärbarem und Übernatürlichem verschwommen.
Marco Balzano – Das Leben wartet nicht
Marco Balzano weiß genau, worüber er schreibt. Zwar ist der Autor in Mailand geboren, doch stammen seine Eltern ebenso wie der kleine Ninetto aus Süditalien. Darüber hinaus führte Balzano zahlreiche Interviews mit Süditalienern, die als Kinder in den Fünfziger Jahren alleine in den Norden kamen, um dort Arbeit zu finden. Zur damaligen Zeit konnte man tatsächlich von Auswandern sprechen, wenn jemand beispielsweise von Sizilien nach Mailand oder Turin zog. So groß waren die Unterschiede dieser Regionen, wirtschaftlich, sprachlich und kulturell. Ebenso groß war leider auch die Abneigung vieler Norditaliener ihren südlichen Nachbarn gegenüber.
Paolo Rumiz – Der Leuchtturm
Paolo Rumiz hat nahezu die ganze Welt bereist – als Kriegsreporter und Reiseschriftsteller. Dabei hat er, wie man sich vorstellen kann, unglaubliche, beeindruckende Dinge gesehen und erlebt, die unterschiedlichsten Menschen und Kulturen kennengelernt. In seinem neuen Buch „Der Leuchtturm“ nimmt er uns jedoch mit auf eine kleine Insel irgendwo im Mittelmeer.
Gerd Pfeifer – Ana und die Fische
Woran denkt man im Allgemeinen, wenn man an Brasilien denkt? Samba, Karneval, Copacabana und Fußball sind Dinge, die einem einfallen mögen. Gerd Pfeifer, der einige Jahre selbst in Brasilien gelebt hat, beschreibt in seinem Erzählband Ana und die Fische ein gänzlich anderes Brasilien.
Arnoldo Gálvez Suárez – Die Rache der Mercedes Lima
Die Rache der Mercedes Lima ist Arnoldo Gálvez Suárez’ zweiter Roman. Daneben sind bereits zwei Bücher mit Kurzprosa von ihm erschienen. Der Originaltitel lautet Puente adentro, also „innere Brücke“. Der Klappentext umschreibt das Buch als spannenden „Krimi, abgründige Liebesgeschichte und finsteres Polit-Drama“. Und tatsächlich weiß man nicht immer, was für eine Art Buch man da gerade in Händen hält.
Sven Regener – Wiener Straße
Da sind sie wieder, die liebenswerten Chaoten um Frank Lehmann, Karl Schmidt und Erwin Kächele. Zwar werden für den Leser keine alten Geschichten aufgewärmt, doch so wirklich neu ist das, was wir hier lesen, auch nicht. Trotzdem ist Wiener Straße eine Empfehlung wert, zeigt das Buch doch auf absolut witzige Weise den Mikrokosmos Kreuzbergs der frühen Achtziger samt der Hausbesetzer, Künstler und komischen Typen, die es in die große Stadt verschlagen hat. Und wieder einmal beweist Sven Regener, dass er ein wahrer Meister des Dialogs ist und es wie glänzend versteht, Situationen so zu beschreiben, dass man das Gefühl hat, mit im Café Einfall zu sitzen. Es macht einfach Spaß, Regener zu lesen.
André Gorz – Brief an D.
Vielleicht kann man sich das heute gar nicht mehr richtig vorstellen. Eine Liebe, die über nahezu sechs Jahrzehnte andauert. Zwei Menschen, die auch im Alter von über achtzig Jahren zusammenhalten, sich gegenseitig unterstützen, bei denen die Flamme der Verliebtheit nie erlosch in schönen, aber durchaus auch in sehr schwierigen Zeiten. Von solch einer Liebe erzählt das Buch Brief an D. des austro-französischen Intellektuellen und Sozialphilosophen André Gorz.
Enrique Serna – Liebe aus zweiter Hand
Zu diesem mexikanischen Erzählband gibt es noch keine Rezension auf novelero, daher will ich noch gar nicht zu viel verraten. Das Buch ist teils skurril, teils bewegend und befremdet. Es geht um die Liebe bzw. um die vielen Spielarten der Liebe. Später mehr dazu. Empfehlung jetzt schon!
Pingback: Die Besten und Schönsten 2017 – SchöneSeiten