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Der schreibende Nomade

Zum 75. Geburtstag von Bruce Chatwin

Ein Abenteurer ohne Ruhe. Immer unterwegs in entlegenen Winkeln der Welt, kehrte Bruce Chatwin doch immer wieder nach Hause zurück. Mit Mythen und Geschichten im Gepäck. Um seine Person ranken sich selbst zahlreiche Mythen. Am 13. Mai wäre er 75 Jahre alt geworden.

Chatwin war durchaus widersprüchlich. Vor allem seine beiden Bestseller “Traumpfade” und “In Patagonien” gaben dem Leser Rätsel auf. Was war dieser Mann eigentlich? Reisender Schriftsteller? Geschichten erzählender Ethnologe? So genau findet sich darauf nicht immer eine Antwort. Kritiker warfen dem 1989 an AIDS verstorbenen Briten häufig mangelndes Verständnis der Kulturen, die Gegenstand seiner Werke wurden, vor. Und doch wurde Chatwin gerade wegen seiner authentisch wirkenden, überaus plastischen Schilderungen fremd wirkender Details von seiner Leserschaft geliebt.

“Veränderung ist das Einzige, für das es sich zu leben lohnt.”

Vor seinem Leben als nahezu nomadisch lebender Schriftsteller war Chatwin Kunstsachverständiger beim renommierten Londoner Auktionshaus Sotheby’s. 1966 schreibt er in einem Brief an einen Freund: “Veränderung ist das Einzige, für das es sich zu leben lohnt. Sitz niemals dein Leben an einem Schreibtisch aus. Geschwüre und Herzprobleme sind die Folge.” Er beginnt zu reisen und schreibt ab 1972 für das Magazin der Sunday Times. Und auch wenn ihn diese Tätigkeit bis nach Indien bringt, wo er Indira Gandhi portraitiert, wendet er sich von der journalistischen Auftragsarbeit ab. Ende 1974 kündigt er seine Stellung, angeblich mit einem Telegramm an die Redaktion: “Für vier Monate nach Patagonien.”

Patagonien Foto: gego2605 / flickr.com
Patagonien Foto: gego2605 / flickr.com

 

Der Vizekönig von Ouidah

Mit seinem Roman “In Patagonien” schafft Chatwin seinen literarischen Durchbruch. Es folgen weitere Romane, deren Handlung an den unterschiedlichsten Schauplätzen der Welt stattfinden.  Einer davon ist der später als Cobra Verde mit Kinski in der Hauptrolle verfilmte Roman “Der Vizekönig von Ouidah”. Für die Recherche zu dem Buch begibt Chatwin sich ins westafrikanische Benin und gerät in einen Putsch, in dessen Lauf er festgenommen wird. Im Vorwort zu dem Roman schreibt er: “Mit meinen Nachforschungen ging alles gut, bis mein Taxi an einem Sonntagmorgen zufällig in entgegengesetzter Richtung zu einer Flugzeuglandung von Söldnern fuhr, die gerade auf dem Flughafen von Cotonou gelandet waren und sich den Weg zum Präsidentenpalast freischossen. […] Die nächsten zwei Tage möchte ich lieber vergessen. […] Ich kehrte nicht nach Benin zurück.”

Benin Foto: kasha / flickr.com
Benin Foto: kasha / flickr.com

 

Mit dem “Skelett der Geschichte und einer Reihe lebhafter Eindrücke davongekommen” schreibt Chatwin seinen Roman angelehnt an den historischen Tatsachen und doch als ein “Werk der Imagination”. So entsteht die grausame Geschichte des brasilianischen Sklavenhändlers Francisco da Silva, der zum Vertrauten des Königs und schließlich zum Vizekönig wird. Dabei beschreibt Chatwin äußerst unterschiedliche Handlungsstränge, die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten spielen. Gerade zu Beginn des Romans hat der Leser vielleicht Schwierigkeiten den Zusammenhang zu erkennen, denn auch wenn es sich stets um die Hauptperson da Silva dreht, erscheinen unzählige Nachkommen im Geschehen.

Zu Chatwins 75. Geburtstag erscheint “Der Vizekönig von Ouidah” nun in einer von der kanadisch-deutschen Künstlerin Sylvie Ringer illustrierten Neuausgabe. Wild wirkende Illustrationen mit Buntstiften, Kohle- und Pastellkreide ergeben ein organisches Geflecht, das den Roman durchdringt, und die Stimmung und Faszination der Geschichte visuell verstärkt.

81l6DJj9YPL-2Bruce Chatwin / Sylvie Ringer (Illustr.)
Der Vizekönig von Ouidah
Aus dem Englischen von Anna Kam
190 Seiten
Verlag: Edition Büchergilde
Erscheinungstermin: 10. Mai 2015
Sprache: Deutsch
24,95 EU

 

 

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