Vor 50 Jahren starb Hermann Hesse 85-jährig in seiner Wahlheimat Montagnola in der Schweiz. Über 125 Millionen Exemplare seiner Bücher wurden weltweit verkauft. Seit über 100 Jahren begeistern die Bücher des Literaturnobelpreisträgers und bedeuten jedem etwas anderes. Hesse ist vielseitig und scheint den Menschen Antworten auf gerade die Fragen zu geben, die sie gerade beschäftigen.
Überall sind er und seine Werke momentan anzutreffen. In Dokus oder als Literaturverfilmungen im Fernsehen, im Radio, in Jubiläumsausgaben, die auf extra hergerichteten Tischen im Buchhandel stehen. Der Suhrkamp-Verlag hat jüngst eine Aktion gestartet, bei der Leser auf einer speziell eingerichteten facebook-Seite ihre Beziehung zu Hesse mitteilen und Fragen an den Autor stellen konnten, die dann aus seinem Briefe-Nachlass beantwortet wurden. Ergebnis dieser Aktion ist das jetzt erschienene Buch „Hesse antwortet … auf facebook“. Hesse scheint darin offenbar die unterschiedlichsten Menschen mit den verschiedensten Problemen und Fragen anzusprechen und ihnen ganz individuelle Antwort zu geben.
Werke waren nicht immer positiv rezensiert
Obwohl Hermann Hesse einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autoren ist, bleibt er den meisten Lesern irgendwie ein Fremder. Das Bild von ihm ist ein ewig schwankendes. So wurden seine Werke vor allem zur Zeit der Weltkriege in Deutschland sehr negativ rezensiert, da er sich antinationalistisch und gegen den Krieg äußerte. Zur Zeit des Nazi-Regimes durften seine Bücher nicht nachgedruckt werden und waren nur noch unter der Ladentheke erhältlich. 1946 erhielt er durch die Verleihung des Literaturnobelpreises internationale Anerkennung und trotzdem wurde er gute zehn Jahre später in die Ecke der Kitschliteratur gedrängt. Während die Rezeption in Deutschland an ihrem Tiefpunkt angelangt war, erlebte Hesse in den USA in der Hippie-Bewegung eine große Wiederentdeckung.
Hesse und die Politik
Hermann Hesse gilt vielen als unpolitischer Autor. Seine Äußerungen bestätigen diese Ansicht sogar. 1912 schrieb er: „Ich habe mich nie für Politik interessieren können, ich habe nie als Bürger das Leben einer Stadt, eines Volks, oder nur einer größeren Familie geteilt, ich war von Kind auf ein Poet und Sonderling oder Neurastheniker.“ Diese Ansicht änderte sich jedoch sehr bald. Über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs schrieb er: „Aus dem blöden Kapitalistenfrieden herausgerissen zu werden, tat vielen gut. […] Da unsere Atmosphäre einigermaßen faul war, kann der Wechsel immerhin Gutes bringen.“ Seine Hoffnung darauf, dass der Krieg die Gesellschaft wachrütteln und der damals herrschenden Dekadenz befreien würde, erlosch sehr bald und Hesse begann, sich in der Fürsorge für verwundete Soldaten zu engagieren. Er wurde zum entschiedenen Antinationalisten und Kriegsgegner und zum Befürworter der Kriegsdienstverweigerung. Er war ein Mahner zum Frieden und Poet der Menschlichkeit.
Es ist nach wie vor schwer, Hesse politisch zu verorten. Einerseits spricht der Individualismus zunächst dafür, ihn bei den Liberalen einzuordnen. Wären da nicht seine Äußerungen zum Sozialismus, wie: „Ich bin, aus guten Gründen, weder ‚bürgerlich’ noch Sozialist, obgleich ich, rein politisch betrachtet, den Sozialismus für die einzig anständige Gesinnung halte. Ich halte diese Weltanschauung für genauso anfechtbar wie jede andere, aber beim heutigen Stand der Dinge ist eben doch der Sozialismus die einzige Lehre, die an den Grundlagen unserer falschen Gesellschaft wenigstens ernstlich Kritik übt.“ Ihm sind auch Geld und Eigentum zuwider: „Alles Geld ist gestohlen, alle Habe ist ungerecht.“
Gegen die Gleichschaltung und für die individuelle Entfaltung
Hesse war so gesehen Anarchist. Er stand ein gegen jegliche Unterdrückung und Einengung des Individuums. Durch seine Übersiedlung in die Schweiz entzog er sich aller nationalen Identifikation. Die Zugehörigkeit zu einem Staat sah er als trennendes Element an.
Vehement sprach der Dichter sich gegen jede Art der Gleichschaltung von Menschen aus, da diese gegen die menschliche Natur ist. Er predigte den Eigensinn, nicht jedoch im Sinne von Egoismus, sondern als Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Bevor es zu einer Veränderung auf gesamtgesellschaftlicher Basis kommen kann, muss der Mensch zu sich selbst finden und erkennen, wer er wirklich ist. Denn das steht oft im Gegensatz zu dem, zu was die Gesellschaft, die Eltern, die Erzieher ein Individuum machen wollen.
„Es scheint wirklich dem Menschen nur eine Hoffnung gegeben, zwar nicht die Welt und die anderen, aber wenigstens sich selber einigermaßen ändern und bessern zu können, und auf denen, die das tun, beruht im Geheimen das Heil der Welt.“
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