Warum ich lese.
Ich stamme aus recht einfachen Verhältnissen. Aus einer Arbeiterfamilie. Keine Bibliothek, keine bis an die Decke reichenden Regale, vollgestopft mit Büchern. Meine Mutter las immer gerne, ich selbst war schon als Kind fasziniert von der Kraft der Geschichten. Und so fing ich als zehnjähriger Knirps selbst an zu schreiben – Vampirgeschichten. Mit etwa zwölf Jahren nahm ich die ersten etwas umfangreicheren Romane zur Hand. Dabei habe ich eigentlich nie wirklich Kinder- oder Jugendliteratur gelesen. Mein erster dicker Schinken war “Roots” von Alex Haley. Dieses Buch hatte ich, so wie viele Bücher danach auch, von meiner Großmutter. Mit ihr teilte ich meine Liebe zu den Büchern. Über Jahre und Jahrzehnte hat sie eine Sammlung von gewiss 3000-4000 Büchern zusammengestellt. Hier konnte ich Stunden verbringen, nur indem ich vor den schweren, dunklen und die ganze Wand ausfüllenden Regalen stand, den Blick über die zahlreichen Buchrücken schweifen lies, hin und wieder ein Buch herausnahm, darin blätterte, quer las und schließlich auf den Stapel legte, den ich mir dieses Mal ausleihen wollte. Meist waren es nicht weniger als sechs Bücher, die ich von einem Besuch bei meiner Großmutter nach Hause mitbrachte.
Am diesjährigen Gründonnerstag ist meine Großmutter 93jährig gestorben. Ein trauriger Anlass, der mich nachdenken ließ. Über diese Frau, die in der Niederlausitz geboren wurde, ihren späteren Ehemann in einem Lazarett kennenlernte, die Krieg und Vertreibung erleben musste und 700 Kilometer weiter westlich ein neues Leben anfing, ständig begleitet von ihren Büchern. Bücher, die nicht nur Entspannung boten, sondern auch Trost spendeten. Dabei wurde mir bewusst, wie sehr meine Großmutter dazu beigetragen hat, dass ich heute lese, wofür ich ihr mehr als dankbar bin. So manches Schätzchen entdeckte ich bei ihr und auch den ersten Roman von Hermann Hesse, den ich je gelesen habe, fand ich bei meiner Großmutter: Roßhalde. Damit begann meine erste große Liebe zur Literatur. Auch auf den mir bis heute liebsten Schriftsteller Gabriel García Márquez “traf” ich im großmütterlichen Wohnzimmer.
Und schon bald waren Geschichten, war Literatur für mich eine Möglichkeit, mich selbst besser kennenzulernen und natürlich auch, ein Stück weit Abstand vom Alltag zu gewinnen, um bestimmte Themen und Probleme, die mich beschäftigten, von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten. Literatur war nie Alltagsflucht für mich, viel mehr hat sie mich auf eine Metaebene transportiert, von der aus ich einen besseren Überblick hatte.
Seitdem lese ich – täglich. Bestimmte Autoren begleiteten mich in den verschiedenen Phasen meines bisherigen Lebens. Hesse als mit sich selbst hadernder Jugendlicher, Goethes Werther als Abiturient auf dem Weg ins Erwachsenenleben und so fort. Und es gibt tatsächlich immer wieder einmal Menschen, die das Lesen für Zeitverschwendung halten. Man kann sich ja schließlich auch einen Film anschauen. Da hat man in etwa anderthalb Stunden die ganze Story gesehen, für die man beim Lesen mehrere Tage brauchen würde. Außerdem sei Lesen doch eine unheimlich einsame Angelegenheit. Dem kann ich vieles entgegnen. Zum Beispiel, dass Lesen mit minimalen Mitteln dazu führt, andere Welten betreten zu können, dass Lesen Sport fürs Gehirn ist, da man beim Lesen das im Buch Geschehene im Kopf imaginiert und die zur Geschichte gehörenden Bilder selbst erstellt. Außerdem bildet Lesen, das sagte schon Voltaire: “Lest, bildet euch! Allein die Lektüre entwickelt unseren Geist, das Gespräch verwirrt und das Spiel verengt ihn.” Im Übrigen soll Lesen nicht nur Stress reduzieren, sondern auch die Empathiefähigkeit erhöhen. Wer viel liest, ist also sozial kompetenter. Das verwundert nicht allzu sehr, muss man sich doch beim Lesen in allerlei Personen hineinversetzen. Und wie wichtig gerade heute Empathie ist, brauche ich wohl kaum zu erwähnen.
Aus welchen Gründen auch immer Ihr angefangen habt zu lesen, lest weiter! Und denjenigen, die es nicht tun, kann ich nur sagen, es ist ja nie zu spät. Also ab zur nächsten Buchhandlung Eures Vertrauens!
Beiträge anderer Literaturblogger zu #warumichlese
Nachdem ich einigen Literaturbloggern ebenfalls die Frage gestellt hatte, warum sie lesen, sind sehr interessante, leidenschaftliche und persönliche Texte entstanden:
Sophie Weigand / Literaturen
Jochen Kienbaum / lustauflesen.de
Chris Popp / booknerds
Laurent Piechaczek / booknerds
Clemens Seitner / Hundstrüffel
Uwe Kalkowski / Kaffeehaussitzer
Klaus Daniel / Bücher, Kater, Tee
Juliane / Poesierausch
Alexa Coletta / Geteiltes Blut
Birgit Böllinger / Sätze & Schätze
Yvonne Schmidt / Bücher und mehr…
Johanna Kindermann / Buchstabentherapie
Sarah Reul / Pinkfisch
Stephanie Sack / Nur Lesen ist schöner
Sarah Busch / Das Bibliothekarium
Nine Knüpling / antitrist
Marina Büttner / Literaturleuchtet
Julia Schmitz / Fräulein Julia
Miriam / 1001 Bücher
Janine Rumrich / Kapri-Ziös
Bettina Schnerr / Bleisatz.
Henri Vogel / booknerds
Katharina Herrmann / Kulturgeschwätz
Fenna Wächter / Lesemanie
Christian Weis / Schreibkram & Bücherwelten
Claudia Pütz / das graue sofa
Peter Peters / Peter liest…
Tobias Illing / pagina secunda
Gérard Otremba / Sounds & Books
Ricarda Howe / schreibsuechtig.de
Alexandra Feßner / little edition
Marion Rave / schiefgelesen.net
Andrea Blank / lohnt das lesen
Marc Richter / lesen macht glücklich
Andrea Daniel / Bücher, Kater, Tee
Hannah Richlik / hannahpapaver
Vanessa Palmen / PalomaPixel
Norman Weiß / notizhefte
Constanze Matthes / Zeichen und Zeiten
Fabian Neidhardt / mokita
Taaya / Let ’em eat books
Sophie Bichon / Buchstabenmagie
Verena Grouls / flying thoughts
Janine Hasse, Laura Penning, Sarah Jäger & Bozena Badura / Das Debüt
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