Eine kleine Filmbesprechung.
Slavoj Žižek begibt sich in dem kürzlich auf DVD erschienenen Film auf eine Reise durch die Streifen Hollywoods, um deren wahren Botschaften aufzuzeigen.
Karl Marx schrieb bereits vor rund 130 Jahren über die Ideologie. Ideologie, das seien den Interessen der herrschenden Klasse dienende Gedanken, die als allein gültig dargestellt werden.
„Wenn in der ganzen Ideologie die Menschen und ihre Verhältnisse wie in einer Camera obscura auf den Kopf gestellt erscheinen, so geht dies Phänomen ebenso sehr aus ihrem historischen Lebensprozeß hervor, wie die Umdrehung der Gegenstände auf der Netzhaut aus ihrem unmittelbar physischen.“
Ideologie ist somit ein falsches Bewusstsein, eine gewollte Sinnestäuschung. Der slowenische Philosoph und Kulturkritiker Slavoj Žižek geht der Frage nach dem Wesen der Ideologie in Sophie Fiennes’ Film “The Pervert’s Guide to Ideology” nach. Dabei begibt er sich auf eine Reise durch die Filmindustrie und leitet den Zuschauer dazu an, mehr oder minder bekannter Filme mit anderen Augen zu schauen und zu erkennen, was nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Beispielhaft ist hier der John Carpenters Film “Sie leben” aus dem Jahr 1988. In dem Film zieht der arbeitslose John Nada durch Los Angeles und findet in einer verlassenen Kirche einen Karton voller Sonnenbrillen. Zunächst wundert ihn nur, dass er keine Farben mehr sieht, wenn er die Brille aufsetzt. Als er jedoch durch die Stadt geht erkennt er etwas viel Verwirrenderes. Betrachtet er Werbeplakate oder Zeitschriftentitel, erscheinen ihm Befehle wie „Gehorche!“, „Konsumiere!“ oder „Sieh fern!“, auf Geldscheinen liest er „Dies ist dein Gott!“ Er sieht die versteckten, wahren Botschaften hinter den Dingen.
Postideologische Zeiten?
Nun ist es eine weitverbreitete Meinung, dass Ideologie unsere Sinne vernebelt – wie eine Brille eben, die wir nur abnehmen müssten, um wieder klar zu sehen, was wirklich ist. Das sei aber die ultimative Illusion, so Žižek. Ideologie werde uns nicht übergestülpt, sondern sei uns unmittelbare Beziehung zur sozialen Welt. In der angeblich postideologischen Gesellschaft sind wir zu Subjekten des Vergnügens geworden. Wir genießen unsere Ideologie. Deshalb sei es durchaus schmerzhaft, die Wahrheit, nämlich das Leben in einer Lüge, zu erkennen. Oder eher einer Fiktion? Vielleicht ist es aber gerade die Fiktion, die unsere Realität konstruiert und strukturiert. Neben der Ideologie in Filmen, deckt Žižek die glücklichen, glücklichmachenden Oberflächen von Waren auf. Ähnlich hatte das auch der Kulturwissenschaftler und Kunsttheoretiker Wolfgang Ullrich beschrieben. In seinem Buch “Alles nur Konsum” stellt er die These auf, dass Konsumenten durch die Waren selbst erzogen werden. Produkte liefern Identifikationspotenziale, Codes für den Umgang in sozialen Gruppen und bieten sogar ökologisch-pädagogische Aspekte. Ullrich sieht Waren als Zeichensysteme. Konsumgüter seien Medien, die Botschaften transportieren und im Endeffekt gelesen werden wie ein Buch. Konsum als Kulturtechnik. Jedes Produkt hat neben dem Gebrauchswert einen Fiktionswert. Womit wir wieder zu Žižek und somit zu Lacan und dessen triadisches Modell kommen. Demnach ist die Realität des Menschen symbolisch konstruiert, also letztendlich nichts anderes als eine kollektiv praktizierte Fiktion. Denkt man das ein Stück weiter, wundert es nicht sehr, dass Theorien Anklang finden, die unser gesamtes Leben für eine Illusion halten.
Slavoj Zizek
The Pervert’s Guide to Ideology – Präsentiert von Slavoj Žižek
Regie: Sopie Fiennes
Als DVD erschienen: 12.09.2016
Suhrkamp Verlag
ISBN: 978-3-518-13538-9