Selva Almada – Sengender Wind
Weites Land. Meilenweit unbewohnte Steppe und bis auf die verlassen erscheinende Landstraße kein Zeichen von Zivilisation in Sicht. Die Pampas sind nicht gerade der beste Ort, um eine Autopanne zu haben. Aber leider kann man sich das nicht aussuchen. Zum Glück kommt ein Transporter vorbei, der den Wagen des protestantischen Reverend Pearson abschleppt und ihn mit seiner pubertierenden Tochter Leni zur nächsten Werkstatt mitten im Nirgendwo bringt. Seit Jahren sind die beiden ständig mit dem Auto von einem Ort zum anderen unterwegs, übernachten in Hotels. Der Mechaniker, dem Pearson sein Auto anvertraut, ist ein gewisser Gringo Brauer, ein wortkarger, etwas mürrischer Mann fortgeschrittenen Alters. Zusammen mit seinem kindlichen Ziehsohn Tapioca, der eigentlich José heißt und sein leiblicher Sohn aus einer flüchtigen Beziehung ist, lebt er hier und genießt vor allen Dingen eines – seine Ruhe. Doch das soll sich in der kommenden Nacht ändern, denn Pearson spricht nicht nur von Jesus, sondern pflanzt den Gedanken zu mehr bestimmt zu sein als zu diesem abgekapselten Leben in Tapiocas Herz. So beginnt ein Kampf, der an das biblische Ringen Jakobs mit dem Engel erinnert.
“Unser lieber Jesus strahlt, wenn er dich lachen hört”, sagte der Reverend jedes Mal, und der Angesprochene brach in sein typisches Kosakengelächter aus, das Einzige, was er sich aus Säuferzeiten bewahrt hatte, denn wie jeder gute Kosak war der liebe Zack ein begnadeter Trinker gewesen.
Selva Almada hat mit ihrem Roman ein überaus gelungenes Debüt vorgelegt. In ihrer einfachen, wenn man so will trockenen, Sprache beschreibt sie Szenen, die zunächst belanglos und gewöhnlich erscheinen. Anhand der Gespräche und vor allen der Rückblenden aus Sicht der vier Protagonisten, webt sie eine immer engmaschiger werdende Geschichte, die den Leser zu fesseln beginnt. Die Figuren sind überzeugend gezeichnet, sie wirken authentisch – sei es der naive Tapioca, der überzeugte Pearson, die genervte Leni oder der sarkastische Brauer.
Das Gewitter zog bereits weiter: auf die bläulichen Entladungen folgte gedämpftes Donnergrollen. Auch der Wind hatte sich gelegt, nur der Regen fiel weiter dicht und heftig. Die Erde hielt sich für die lange Trockenheit des Sommers schadlos und spuckte sie wieder aus, es bildeten sich Wasserblasen, die verkündeten, dass an Regen erst einmal kein Mangel war.
Die Spannung, die Alamada in ihrem Roman erzeugt, nimmt von Seite zu Seite zu und man wartet nur darauf, dass jeden Moment etwas eindrucksvolles oder auch unheilvolles passieren wird. Vor allem sind es die Details, die den Roman so lesenswert machen. Stimmung, Sprache und Schauplätze sind wie aus einem Guss, die Ödnis der Pampas spiegelt sich in der Leere in Brauers Leben, der anschließend aufziehende Sturm ist ebenfalls nicht nur metaphorisch. Sengender Wind überzeugt durch die Weglassungen, die dem Leser zum Denken, zum Imaginieren anregen.
Übersetzt aus dem Spanischen von Christian Hansen
Berenberg Verlag
128 Seiten
20,00 Euro
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