Italien Rezensionen

Eine Anthropologie Italiens dunkler Seite

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Gioacchino Criaco – Schwarze Seelen

Der Aspromonte ist ein unwegsames Gebirge. Ortsunkundigen droht bei Wanderungen die Gefahr, sich in den sowohl vom Tyrrhenischen als auch vom Ionischen Meer umgebenen Bergen zu verlaufen. Aber das ist nicht die einzige Gefahr in diesem Landstrich. Denn auch der kalabrischen ‘Ndrangheta dient der Aspromonte als Rückzugsort. Ziegenhirten, die in den abgeschiedenen Dörfern dieser Region, wie hier dem Dorf Africo, leben, verdienten sich eben für diese Organisation etwas hinzu, indem sie “Schweine” über das Gebirge an versteckte Orte brachten. Schweine, das waren Entführte, für die Lösegeld gefordert wurde. Auch die Familien der drei Protagonisten Luigi, Luciano und des namenlosen Ich-Erzählers taten dies.

Ein süditalienisches Lumpenproletariat

Nach der Herrschaft der Savoyer, zwei Erdbeben und zwei Weltkriegen wird das Dorf Africo Anfang der 1950er Jahren von Erdrutschen und Überschwemmungen bedroht und die etwa 9000 Einwohner sind dazu gezwungen Richtung Ionisches Meer umzusiedeln. Dort kommen die “Söhne des Waldes” aber nie richtig an. Entwurzelt, verarmt, ihrer natürlichen Umgebung beraubt wird aus ihnen eine Art süditalienisches Lumpenproletariat. Die drei Freunde versuchen diesem Schicksal zu entkommen und verdingen sich zunächst mit kleineren Diebstählen und schließlich im Mailänder Drogengeschäft und werden reich dabei.

Verrat, Kerker und Tod

Criaco erzählt keine Heldengeschichte wie es etwa Puzo mit seinem “Sizilianer” tat. Die Helden seines Romans sind keine Helden. Stattdessen findet der Leser sich in einer mitunter brutalen Geschichte wieder – brutal wie die Wirklichkeit. “Schwarze Seelen erzählt ein finsteres Italien”, schreibt der seit der Veröffentlichung seines Buches “Gomorrha” unter Polizeischutz lebende Roberto Saviano auf seinem Blog. Er bezieht sich dabei auf die Verfilmung des Romans. “Schwarze Seelen” sei ein notwendiger Film, um dem ins Auge zu sehen, was bislang ignoriert wurde”, so Saviano weiter. Der selbst aus Africo stammende Criaco weiß genau, wovon er schreibt. Sein Vater kam in einer Blutfehde ums Leben, der Bruder gehörte bis zu seiner Verhaftung zu den meist gesuchten Kriminellen Italiens. Er selbst hatte wohl Glück und studierte in Bologna Jura – mit Begabtenstipendium. In seinem Debütroman schreibt Criaco in einer kühlen Art von Menschen, die sich ein selbstbestimmtes Leben erhoffen und aus den Zwängen von Armut, Tradition und Rückständigkeit entfliehen wollen. Und doch landen sie in neuen Zwängen, neuen Ängsten und der allgegenwärtigen Gefahr des Verrats, des Kerkers und des Todes.

 

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Schwarze Seelen
Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl
Folio-Verlag, Wien 2016
229 S.
22,90 Euro

 

 

Trailer zum Film (italienisch)

 

 

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