Noam Chomsky ist einer der bedeutendsten Intellektuellen Amerikas, ja sogar unserer Zeit im Allgemeinen. Als Linguist lehrte und forschte Chomsky am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und nahm starken Einfluss auf die Entwicklung der Sprachwissenschaften. Seit den 1960er Jahren ist er vehementer Kritiker der US-amerikanischen Außen- und Wirtschaftspolitik. Sich selbst beschreibt Chomsky als libertären Sozialisten. Bereits Mitte der 1970er Jahre schrieb er in einem Aufsatz: “Seit Beginn der Entwicklung zum industriellen Kapitalismus, einem neuen unvorhergesehen System der Ungerechtigkeit, war es der liberale Sozialismus, welcher die radikale humanistische Botschaft der Aufklärung und die klassischen liberalen Ideen bewahrt und weitergetragen hat, die aber bald in eine Ideologie zur Aufrechterhaltung der neuaufstrebenden gesellschaftlichen Ordnung, pervertiert wurde.” Auch sein neues, kürzlich im Kunstmann Verlag auf Deutsch erschienenes Buch Requiem für den amerikanischen Traum befasst sich mit den Auswirkungen, die die Konzentration von wirtschaftlicher Macht auf die Politik und die Gesellschaft als Ganzes hat.
Die 10 Prinzipien der Konzentration von Reichtum und Macht
Den amerikanischen Traum gibt es nicht mehr, wenn er nicht ohnehin seit jeher ein Mythos war.
“Ein wesentlicher Bestandteil des amerikanischen Traums ist die soziale Mobilität: Auch wer arm geboren ist, kann es durch harte Arbeit zu Wohlstand bringen. Gemeint ist damit, dass jeder einen gut bezahlten Job finden, sich ein Haus und ein Auto leisten und seinen Kindern eine Ausbildung finanzieren kann …
All das ist in sich zusammengebrochen.”
Noam Chomsky nennt in seinem Buch zehn Prinzipien, die dazu führen, dass eine immer kleinere Gruppe Menschen immer mehr Reichtum und Macht erlangen.
- Demokratie einschränken
- Ideologie bestimmen
- Wirtschaft umgestalten
- Andere die Last tragen lassen
- Solidarität bekämpfen
- Regulierungsbehörden regulieren
- Wahlen manipulieren
- Den Pöbel im Zaum halten
- Zustimmung konstruieren
- Die Bevölkerung an den Rand drängen
Diese zehn Prinzipien sind zugleich die Überschriften der Kapitel des Buches. Um diese Prinzipien zu belegen, zieht Chomsky Texte aus unterschiedlichen historischen Kontexten heran. So zitiert er unter anderem den späteren US-Präsidenten James Madison aus der Mitschrift des Verfassungskonvents 1787. Madison setzte sich dafür ein, dass die Mitglieder des Senats nicht gewählt, sondern aus einer wohlhabenden Elite heraus ernannt wurden.
Noam Chomsky bietet hier keine Lösungen
Trotz aller scharfen Analyse und Kritik bietet Noam Chomsky in seinem Buch keine Vorschläge, um die bestehenden Missstände zu beheben. Vielleicht ist das aber auch nicht der Sinn dieses Buches. Vielmehr regt es doch dazu an, wachsam zu bleiben, Dinge zu hinterfragen und selbst aktiv zu werden. So hat der Autor auch nicht alle Hoffnung verloren, wenn er über seinen politischen Aktivismus schreibt.
“Zu einem nicht geringen Teil meines Lebens habe auch ich mich dem politischen Aktivismus gewidmet. Ich kann nicht behaupten, dass ich darin große Erfolge vorzuweisen habe. Ich bin nicht besonders gut darin […] jedenfalls bin ich nicht der beste Organisator. Aber wenn sich etwas verändert, dann liegt das daran, dass viele Leute unablässig tätig sind. Sie arbeiten in ihren Gemeinden, am Arbeitsplatz, oder wo immer sie auch sind – und sie legen die Basis für Massenbewegungen, die dann Veränderungen herbeiführen. So hat sich die Geschichte seit jeher fortentwickelt.”
Was uns bleibt, ist also die Veränderungen, die wir uns wünschen, selbst herbeizuführen. Wenn nötig, in kleinen Schritten, auf vielen Ebenen.
Noam Chomsky
Requiem für den amerikanischen Traum.
Die 10 Prinzipien der Konzentration von Reichtum und Macht.
Kunstmann Verlag
192 Seiten
EUR 20,-