Allein in Neapel zählte die Tageszeitung “Repubblica” 17 Raubüberfälle und 32 Opfer von Oktober bis November 2017, die auf das Konto von sogenannten “Baby-Gangs”. Diese Gangs bestehen meist aus Teenagern, denen vielleicht gerade der erste Bart zu sprießen beginnt, oft sogar Kinder. Wider erwarten stammen diese jugendlichen Kriminellen nicht aus alteingesessenen Clans, sondern vielmehr aus Familien des Kleinbürgertums.
Einer dieser Jungs ist Nicolas, der von seinen Freunden “Maraja” (von Maharaja) genannt wird. Nichts lockt ihn so sehr wie das schnelle Geld, nichts spornt seinen Ehrgeiz mehr an als die Aussicht auf Macht. Nicolas ist der Protagonist von Der Clan der Kinder (orig. La Paranza dei Bambini), dem ersten Roman des neapolitanischen Bestseller-Autoren Roberto Saviano. Gemeinsam mit seinen Freunden will Nicolas seine eigene Gang, seine “Paranza”, gründen. Seine Freunde tragen Spitznamen wie Lollipopp, Tucano, Teletabbi, Drone oder Biscottino. Unter Nicolas’ Federführung besorgen sie sich Waffen und wollen die Piazze in ihrem Viertel künftig mit Drogen beliefern.
Man ahnt schnell, dass diese Entwicklung nicht gut gehen kann. Trotzdem bleibt Savianos Roman bis zum Schluss packend. Er schildert das Phänomen der Baby-Gangs als ein Problem, das nicht nur Kinder und Jugendliche aus armen Verhältnissen oder kriminellen Familien betrifft. Diese Jungen stammen aus der Mitte der italienischen Gesellschaft, einer Gesellschaft die dem großen Teil ihrer Jugend keine Perspektive bieten kann. “In Süditalien hat jeder zweite Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren keine Arbeit, jeder dritte ist langzeitarbeitslos”, schreibt die NZZ. In zahlreichen Provinzen liegt die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei bis zu 70 Prozent. Viele wandern aus, andere geraten sich in die Kriminalität.
Roberto Saviano
Der Clan der Kinder
Aus dem Italienischen übersetzt von Annette Kopetzki
Hanser Verlag, München 2018
416 Seiten
24 Euro