Kleine und unabhängige Verlage haben es schwer gegen die Marktmacht der Konzerne und Bestsellerfabriken anzukommen. Auf der Leipziger Buchmesse im vergangenen Jahr diskutierte man in diesem Zusammenhang den Begriff Bibliodiversität und das gleichnamige Buch von Susan Hawthorne. In ihrem Manifest für unabhängiges Publizieren kritisiert sie, dass konzerngebundene Großverlage und Großbuchhandlungen ihren Fokus auf möglichst hohe Auflagen und Verkaufszahlen legen, so dass die Bibliodiversität aus dem Gleichgewicht gerate. Das Ergebnis ist, dass vor allen Dingen an den Massengeschmack angepasste Bestseller in den Verkaufsregalen zu finden sind.
Verlegen als künstlerisches Projekt
Auch auf der kommenden Messe wird die erschwerte Arbeit der Indie-Verlage wieder Thema sein. Ganz aktuell trafen sich am 5. und 6. Februar über sechzig unabhängige Verlegerinnen und Verleger auf Einladung der Kunststiftung NRW in Düsseldorf zu einer Arbeitstagung. Die große Frage im Raum dabei war, ob Verlegen nicht viel mehr ein künstlerisches Projekt denn eine gewerbliche Tätigkeit sei. Meiner Meinung nach keine Frage! Schließlich entdecken Verleger nicht nur jedes Jahr neue großartige Autoren und arbeiten mit ihnen an ihren Texten, sondern schaffen auch mit den von ihnen produzierten Büchern Gesamtkunstwerke. Ein Buch ist nicht nur einfach ein Produkt.
Düsseldorfer Erklärung unabhängiger Verlage
Natürlich ging es bei der Tagung auch darum, existenzsichernde Maßnahmen zu besprechen. In dem Rahmen erarbeiteten die Verlage gemeinsam die Düsseldorfer Erklärung unabhängiger Verlage, die Themen wie „Independents und Öffentlichkeit“, „Strukturwandel und Globalisierung“, „Interessenvertretung und Vernetzung“ oder „Selbstverständnis und Perspektiven“ behandelt. Hierbei spielt natürlich auch die Frage, ob und wie Indie-Verlage zukünftig gefördert werden können, eine große Rolle.
Weitere Veranstaltung auf der Leipziger Buchmesse
Der erste Messetag in Leipzig wird mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Reden wir über Geld! Förderung unabhängiger Verlage“ starten. Hier diskutieren Isabel Pfeiffer-Poensgen (Ministerin für Kultur und Wissenschaft NRW, Düsseldorf), Daniel Beskos (Mairisch Verlag, Hamburg), Anna Jung (Verlag Jung & Jung, Salzburg), Dani Landolf (Geschäftsführer Schweizer Buchhändler und Verlegerverband, Zürich) und Michael Naumann (Gründungsdirektor Barenboim-Said-Akademie, Berlin) unter der Moderation von Thomas Böhm. Die Veranstaltung findet am 15. März um 14 Uhr im Congress Center der Leipziger Messe, Mehrzweckfläche 4, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „bücher.macher“ statt.
Hier die Düsseldorfer Erklärung unabhängiger Verlage im Wortlaut
Präambel
Literatur ist ein förderungswürdiges Kulturgut.
Digitalisierung, Monopolisierungen und der Ausschluss unabhängiger Verlage aus dem Sortiment vieler Buchhandlungen führen dazu, dass die Vielfalt der Verlags- und Literaturszene bedroht ist. Durch die starken Veränderungen im Medienkonsum geht auch die junge Generation zunehmend dem Buch verloren. Hinzu kommt das BGH-Urteil zur VG Wort, das den Wegfall der Ausschüttungen auslöste und zu Rückzahlungsverpflichtungen an die Verwertungsgesellschaften führte.
Die unabhängigen Verlage gewährleisten die künstlerische und thematische Vielfalt unserer kulturellen Landschaft zur Stärkung der Weltoffenheit, Demokratie und Vielheit unserer Gesellschaft.
Wir wollen eine generationen- und schichtenübergreifende Kultur- und Bildungsinitiative anstoßen. Und wir wollen mit unserem verlegerischen Engagement Lesekompetenz und Leselust dieser und kommender Generationen stärken.
Was die unabhängigen Verlage auszeichnet:
- Sie verstehen ihr verlegerisches Tun als künstlerische Leistung.
- Sie entdecken und fördern Autorinnen und Autoren.
- Sie entwickeln neue literarische Formen, auch in der Lyrik.
- Sie bewahren das kulturelle Gedächtnis und das literarische Erbe.
- Sie ermöglichen den Austausch mit anderen Kulturen und Sprachen und vermitteln Literatur auch aus sogenannten „kleinen“ Sprachen.
- Sie initiieren gesellschaftliche Debatten.
- Sie stellen sich der digitalen Herausforderung.
- Sie sind innovativ und entdeckungsfreudig.
- Sie sind in der Regel inhabergeführt und arbeiten auf eigenes Risiko.
Die unabhängigen Verlage haben die folgenden Vorschläge erarbeitet und möchten sie in die politische Diskussion einbringen.
Sie schlagen vor:
Die Einrichtung eines Preises für unabhängige Verlage analog zum Deutschen Buchhandlungspreis. Preiswürdig sind Verlage, die folgende Kriterien erfüllen:
- Sie sind konzernunabhängig und inhabergeführt.
- Sie realisieren ein kontinuierliches Verlagsprogramm.
- Sie zeigen ein erkennbares verlegerisches Profil.
- Sie verfügen über ein sorgfältiges Lektorat.
- Sie bieten eine hochwertige Buchausstattung.
- Sie nutzen professionelle Vertriebswege im analogen und digitalen Bereich.
Der Preis soll ausschließlich an Verlage vergeben werden, deren Jahresumsatz drei Millionen Euro nicht übersteigt.
In der Schweiz und Österreich existiert eine solche Förderung bereits, auch in den skandinavischen Ländern, Großbritannien, Irland und in Frankreich gibt es Förderungen für unabhängige Verlage.
Außerdem wurden die folgenden Vorschläge erarbeitet:
- eine Sichtbarkeitskampagne für unabhängige Verlage
- die Sicherung der Bibliodiversität als Grundlage für eine funktionierende demokratische Gesellschaft
- den Aufbau einer ‚Bundeszentrale für literarische Bildung‘
- die Installierung eines unabhängigen digitalen Systems als Plattform, um die kulturelle Vielfalt zu erhalten und eine demokratische Wissens- und Informationsgesellschaft zu fördern
- die Anerkennung von eBooks als Kulturgut
- die Einrichtung von Austauschforen
- den Aufbau von Beratungsangeboten und Mentoringprogrammen.Düsseldorf, den 6.2.2018