Rezensionen

John Fante – 1933 war ein schlimmes Jahr

John Fante

John Fante – 1933 war ein schlimmes Jahr

 

John Fante

“Ich war hier in Roper, Colorado, und wurde von Minute zu Minute älter. In sechs Monaten würde ich achtzehn werden und die Highschool abschließen. Ich war vierundsechzig Inches groß und in den letzten drei Jahren kein Stück gewachsen. Ich hatte Säbelbeine und drehte die Füße beim Gehen nach innen. Meine Ohren standen ab wie die von Pinocchio, meine Zähne waren schief, und mein Gesicht war gesprenkelt wie ein Vogelei.”

Dominic Molise ist der Protagonist des posthum erschienen Romans 1933 war ein schlimmes Jahr des italo-amerikanischen Autors John Fante. Dieser Siebzehnjährige ist nicht wirklich ein Held. Als Sohn italienischer Einwanderer in die amerikanische Unterschicht hineingeboren, hat er nur einen Traum: Profi-Baseballspieler werden. Aber das ist gar nicht so einfach. Auch wenn er Talent und einen starken Wurfarm besitzt, den er liebevoll mit Massageöl einreibt, hat sein Vater andere Pläne mit ihm. Es ist Wirtschaftskrise, die Familie ist verschuldet und Dominic – kurz Dom – soll möglichst bald anfangen, Geld zu verdienen, indem er mit dem Vater auf den Bau buckeln geht. Eine Vorstellung, mit der sich Dom ganz und gar nicht anfreunden kann. Denn auch wenn eine Karriere als Profisportler unwahrscheinlich ist – er hat schließlich nicht einmal das Geld, um bei den TryOuts sein Talent unter Beweis zu stellen – gibt es für ihn keine Alternative, und kleinere Ziele steckt er sich nicht. So ist es auch klar, dass er sich in niemand geringeren als die Schwester seines besten Freundes Ken verliebt, dem Spross der reichsten Familie im Ort.

John Fante
John Fante (Foto: Nail Babayev / Wikimedia CC BY-SA 3.0)

Im Grunde genommen geschieht nicht wirklich viel in diesem kleinen Roman, der übrigens grandios vom Schweizer Schriftsteller Alex Capus ins Deutsche übersetzt wurde. Bloggerkollege Brasch bezeichnet die Story als “skurril und lebensfern”, darüber hinaus irritiere besonders, “dass sie zudem keinen Plot aufweist”, obwohl Fante doch als Drehbuchautor erfolgreich gewesen war. Ich muss zugeben, der Plot ist nicht das, was Fantes Roman so stark macht. Neben der Sprache, diesem Rhythmus des Buches, überzeugt mich vor allen Dingen eines. Fante schafft es, seinen Figuren – seien diese nun sympathisch oder idiotisch – eine Sehnsucht, ein Feuer, das in einem brennt, zu verleihen. Es gibt eben doch Hoffnung, auch in Zeiten bitterer Not. Ob sich Träume wie der des Protagonisten letztendlich erfüllen, bleibt offen, was für mich ein weiterer Pluspunkt ist, denn nichts läge mir ferner als Gefallen an einem Buch zu finden, das den “American Dream” verklärt. Viel wichtiger als ein tatsächliches Happy End ist es, etwas zu haben, an das man glauben kann, für das es sich zu leben lohnt, das einen über das Elend hinwegtröstet. So schrieb auch der französische Existenzialist Albert Camus: “Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.” Beides haben Fantes Figuren.

Übrigens wurde der Roman jetzt zum zweiten Mal auf Deutsch verlegt. Bereits 1985 erschien das Buch im Eichborn Verlag. Lange Zeit waren Fantes Werke in Vergessenheit geraten. Zur Wiederentdeckung Fantes hat unter anderem Charles Bukowski beigetragen, der über den Autor sagte: „Hier endlich war ein Mann, der keine Angst vor Emotionen hatte. Mit überwältigender Schlichtheit vermischen sich Humor und Schmerz.“

John Fante 1933 war ein schlimmes JahrJohn Fante
1933 war ein schlimmes Jahr
Blumenbar Verlag
Berlin 2016
144 Seiten
EUR 16,-

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